Miss Photographic
Dienstag, 2. Juni 2009
...[wir sind dann mal] schrottrobben
Neben Konzerten und Portraitaufnahmen gewinnt auch zunehmend "Urban Exploring" (zu dt. auch schrottrobben genannt) an Bedeutung für mich. Die Faszination verlassener Fabrikhallen, in denen schon längst kein Arbeiter mehr die Stechuhr bedient, sondern eben jene rostend im Dornröschenschlaf vor sich hindämmern oder der marode Charme eines versteckten Schlosses mitten im Wald durch dessen zerborstene Fensterscheiben bereits gierig die benachbarten Bäume ihre Äste ins Innere ausstrecken als wollten sie sagen: "Dieser Ort gehört uns, Ihr wart hier nur kurz zu Gast."



Jeder dieser oft beinahe verwunschen anmutenden Plätze atmet schier die Geschichte, die mit ihm verbunden ist und dieser kalte Atem umgibt den heimlichen, leisen Besucher, der sich eingefunden hat, um sie zu spüren. Wie mag es ausgesehen haben, als noch menschliche Wesen hier wirkten und jeden Tag ganz selbstverständlich durch die Gänge eilten, von deren Wänden jetzt der Putz bröckelt und die blätternde Farbe für ein ganz eigenes, faszinierend morbides Ambiente sorgt.



Ein Schritt, ein lautes Knarzen des Bodens, ein kurzes Innehalten und vorsichtiges Tasten und Hoffen, dass die morschen Dielen die Last des eigenen Körpers noch tragen werden. Plötzlich ein Knacken verbunden mit einem unterdrückten Fluch aus unmittelbarer Entfernung, das einem den Atem stocken lässt. Wir sind hier nicht allein. Rückzug, in Deckung gehen, beobachten - um dann mit erleichtertem Seufzen wahrzunehmen, dass sich da nur ein Kamerastativ nebst Besitzer um die Ecke schiebt: man grüßt und grinst, wechselt vielleicht ein paar Worte und ist froh, dass es lediglich ein Gleichgesinnter war, auf den man getroffen ist und setzt seinen Weg fort, um die Faszination des Verfalls weiter zu entdecken, zu studieren und zu dokumentieren. Das Gefühl jedoch, welches man beim Aufnehmen der Bilder hatte, den Herzschlag, den man bis zum Halse spürte, die leichte Gänsehaut und die Unmengen des Adrenalins, die beim Erkunden dieses Ortes durch die Adern schossen - dies wird kein Bild je wiedergeben können.

"Man muß sich beeilen, wenn man etwas sehen will, alles verschwindet." schrieb einst der französische Maler Paul Cezanne.
Irgendwann - meist schon in viel zu naher Zeit - wird sich die Natur diesen Flecken Erde zurückerobert haben und alles menschengeschaffene zerfallen sein.

Man sollte diese Orte in Ruhe und Würde entdecken. Viel zu oft sieht man leider anderes - mutwillige Zerstörung, Vandalismus, Grafitties, Vermüllung - sind häufig vorzufinden und nicht selten der Auslöser dafür, dass auch harmlose Fotografen gern einmal vertrieben werden, selbst wenn deren Codex lautet:

"Take nothing but pictures, leave nothing but footprints."



Aktuell wird eine weitere Tour ins Land der Schrottrobberträume für den [Spät-]Sommer geplant - Belgien reloaded! Berichte folgen.

Permalink (1 Kommentar)   Kommentieren